Im digitalen Brandstudio Interactive Pioneers entwickeln wir seit über 20 Jahren digitale Produkte für Kunden und unterstützen mit unserem Innovation-Lab etablierte Firmen und Startups bei der Entwicklung innovativer Produkte durch Methodiken wie Google Design Sprints.  

In über 20 Jahren haben wir dabei gelernt, dass egal wie gut das Team ist, egal wie gut der Business Plan ist und egal wie solide die Finanzierung ist, vor allem die konsequente Kundenzentrierung entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg des Produktes ist 

Oft wird ein Produkt aufwändig entwickelt, weil man das Wissen oder die Technologie hat, sucht dann aber verzweifelt nach dem passenden Problem für diese Lösung. Der Erfolg bekannter Firmen wie Apple liegt aber genau im umgekehrten Vorgehen. 

Beispiel: Kindersterblichkeit in Nepal

Ein schönes Beispiel für Kundenzentrierung ist die Entstehungsgeschichte des “Embrace Infant Warmer”. Studenten der Fachrichtungen Elektronik, Informatik, Maschinenbau und BWL wurden in einem Projekt damit beauftragt eine kostengünstigere Variante eines Inkubators für Neugeborene zu entwickeln. Der Ausgangspunkt für dieses Projekt war, dass in Ländern der dritten Welt Kliniken nicht genug Geld hatten, um diese Inkubatoren zu kaufen und dadurch viele Neugeborene nicht behandelt werden konnten und starben. 

Also wurden Materialien verglichen und andere Einsparpotentiale aufgedeckt. Industriepartner wurden hinzugezogen und das neue Produkt nahm Gestalt an. Einer der Studenten wollte mit Kliniken vor Ort sprechen und reiste nach Nepal. Er hatte mit vielem gerechnet, aber sicher nicht damit: Der Großteil der Inkubatoren im Krankenhaus stand leer. Es gab ausreichend viele Inkubatoren und ein günstigeres Produkt hätte keinen Unterschied gemacht. Was war aber die Ursache für die hohe Kindersterblichkeit?  

Er fragte die Ärzte und leider gab es eine einfache, traurige Erklärung: Der Großteil der Kinder wurde dutzende Meilen entfernt der Klinik geboren. Egal wie günstig oder gut designed ein Inkubator wäre – der Lebenskampf findet zuhause alleine bei der Familie statt, fern ab vom Krankenhaus.  

Auf Basis dieser Erkenntnisse konnte das Team das Projekt vollständig drehen und hat stattdessen eine günstige, einfach nutzbare Wärmflasche entwickelt, die das Baby auf dem langen Weg ins Krankenhaus warmhält. Erste Prototypen wurden extrem positiv bei der Bevölkerung in Nepal aufgenommen und erzielten erste Ergebnisse. Doch dennoch kamen viele Kinder auch mit diesem Produkt unterkühlt und nicht mehr lebensfähig im Krankenhaus an. Auch hier mussten die Studenten mit den Müttern sprechen und sich näher zum Kunden begeben. War das Produkt nicht gut genug? Das Problem war diesmal kultureller Natur: Auf dem Produkt war eine Temperatur-Skala angebracht mit dem Hinweis, 37 Grad zu halten. In Nepal war man sich aber sicher, dass die westlichen Menschen immer etwas zu viel an Medizin nutzen würden und das daher 30 Grad vermutlich realistischer war.  

In der nächsten Produktiteration wurde die Skala durch eine einfache Ampel ausgetauscht. War das Licht grün, war die Temperatur richtig. Und schlagartig konnte das Projektteam beobachten, wie die Sterblichkeit von Neugeborenen aufgrund von Unterkühlung drastisch sank.  

Am Ende ist es nicht relevant, ob die Investoren oder das Management-Team eine Idee für gut halten. Der Nutzer ist der Single Point of TruthDer Nutzer ist die einzige Informationsquelle, um zu erfahren, welches Produkt man entwickeln soll. Und diese Antworten findet man nicht im eigenen Büro.  

Vorteile einer konsequenten Kundenzentrierung

Beim Markteintritt gewährleistet ein kundenzentriertes Vorgehen mit dem richtigen Produkt in den richtigen Markt zu gehen. Aber auch darüber hinaus spielt dieses Vorgehen eine große Rolle und trennt im Wettbewerb die Spreu vom Weizen.  

Aktuelle Studien zeigen, dass in erfolgreichen Unternehmen Kundenzentrierung die Nummer 1 Priorität ist, noch vor dem Produkt und der Preisstrategie. Besonders Software as a Service Anbieter erreichen nicht selten eine Verdopplung des Umsatzes innerhalb von 36 Monaten bei konsequenter Fokussierung auf den Nutzer. Aber wieso schlägt sich diese Fokussierung direkt im Umsatz nieder? 

Der direkteste Effekt ist die höhere Preisbereitschaft beim Kunden. 86% aller Käufer sind bereit höhere Preise für eine gute Kundenerfahrung zu bezahlen – bis zu 15% mehr. Aber langfristiger gedacht, bedeutet Kundenzentrierung auch Kundenloyalität. Und ein loyaler Nutzer kauft 5 mal häufiger, testet 7 mal häufiger neue Angebote und empfiehlt 4 mal häufiger als andere Kunden. Kein Wunder also, dass kundenzentrierte Unternehmen im Schnitt etwa 60% profitabler sind als vergleichbare Unternehmen.  

Wie aber funktioniert kundenzentrierte Produktentwicklung?  

Hier haben sich in den letzten Jahren Frameworks und Methodiken rausgebildet wie zum Beispiel Design Thinking, Design Sprints und Product Discovery. Der Grundgedanke hinter all diese Methoden ist aber immer identisch.  

Wir gehen vom Startpunkt des Projektes nicht direkt vorwärts in die Lösungsfindung, sondern zurück im Prozess zum Nutzer und zum eigentlichen Problemverständnis. Wir versuchen die Ursachen hinter den Symptomen zu verstehen. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden dann mögliche Ideen entwickelt und diese in den kleinstmöglich denkbaren Prototypen mit der eigentlichen Zielgruppe validiert.  

Die beiden Kernaspekte sind dabei die Beschäftigung mit dem eigentlichen Nutzer-Problem und der Test aller Ideen mit kleinen, pragmatischen Prototypen mit echten Nutzern. 

Manchmal ist aber gerade der erste Aspekt sehr schwierig – der Zugriff auf die Zielgruppe. Oder man ist selbst Teil der Zielgruppe und versteht daher das Problem, hat aber keine validen Daten über die Kaufbereitschaft und Größe des Marktes. In dem Fall kann man den Fokus auf die Validierung von Prototypen legen. Das nennt man dann “Hypothesen getriebene Produktentwicklung”.  

Im Sprint zu mehr Kundennutzen

Ein konkretes Format für derartige Innovationsprojekte sind Design Sprints – und auch eine der Kernmethodiken aus dem IP InnovationLab. Hierbei wird der gesamte Prozess von Problemanalyse über Ideenentwicklung bis hin zum Test in eine einzige Woche komprimiert. Und am Ende der Woche hat das Team die Hypothese bewiesen oder widerlegt und wertvolle Informationen zum Markt erarbeitet. In dieser einen Woche wird daher häufig mehr Wert geschöpft und mehr Erkenntnisse zu Tage gefördert als in 6 Monaten der realen Produktentwicklung – zu einem Bruchteil der Kosten.  

Was verstehen wir dabei unter einem Prototypen? Die ohne Qualitätsfokus entwickelte erste Version einer Software? Nein, tatsächlich muss für die meisten Prototypen keine Zeile Code produziert werden. Ein Prototyp ist lediglich eine Fassade des realen Produktes. Vergleichbar mit der Stadt-Kulisse in einem Wild-West-Film. Alles sieht echt aus. Aber wenn ich ein Haus betrete stehe ich nicht im Flur, sondern in der Wüste hinter der Kulissen-Wand. Genauso muss unser Prototyp nur real genug wirken, um echtes Feedback zu erzeugen. Das kann eine kleine Kampagne mit Facebook Ads oder Google Ads sein, bei der nur die Klick-Daten gemessen werden. Das kann eine fiktive Landing Page des zu testenden Produktes sein. Im Falle einer Software wird es meistens ein klickbarer, interaktiver Prototyp sein. Also real wirkende Screenshots die über Klickflächen und Animationen miteinander verknüpft wurden. Aber auch Hardware Produkte und Services lassen sich durch Techniken wie 3D-Druck und der Nutzung von Schauspielern und Räumlichkeiten als Prototyp abbilden und testen. Die Kunst liegt darin nicht mehr Aufwand als nötig zu investieren, aber einen so real wirkenden Prototypen wie möglich zu haben, der exakt auf die konkreten Fragestellungen zugeschnitten ist die der Test beantworten soll.  

Daneben gibt es noch die so genannten Low-Fidelity Prototypen. Die bekannteste Art davon ist das Paper Prototyping. Dabei wird die zu testende User Journey mit meist handschriftlich gemalten Screens getestet. Klickt der Nutzer mit dem Finger auf einen Button tauscht der Moderator das aktuelle Blatt Papier mit dem gewählten Screen aus. Hier bekommt man keine wirkliche Aussage über den Erfolg eines Produktes. Aber es ist eine sehr schnelle Methodik, um grobe Fehler in der User Experience aufzudecken bevor mit High-Fidelity Prototypen weiter getestet wird.  

Keine Zeile Code ohne Validierung

Leider sehen wir täglich Unternehmen und Produkte scheitern, weil Geld in die falsche Idee investiert wurde. Je mehr wir uns mit einer Idee beschäftigen, desto stärker sind wir bereits gedanklich investiert und je mehr wir über ein Thema wissen, desto anfälliger sind wir dafür das eigentliche Problem nicht mehr zu hinterfragen und zu verstehen.  

So wie wir unsere Kunden dazu motivieren ihre Projekt-Idee vor der Umsetzung zu validieren und zu schärfen, so können wir allen Startups und Entwicklungs-Teams eine einfache Philosophie ans Herz legen: Keine Zeile Code ohne Validierung mit realen Nutzern. Nehmt jeden guten Gedanken, bringt ihn in einem Prototypen zum Leben und geht dann hinaus aus dem Büro zum Nutzer und holt euch echtes Feedback. In den meisten Fällen ist die Idee längst nicht so ausgereift oder wichtig wie ursprünglich gedacht. Und so könnt ihr pragmatisch die wirklichen Schätze bergen und Entwicklungsarbeit genau da investieren, wo sie den meisten Kundennutzen schafft.  

Damit ihr keine günstigeren Inkubatoren für ein Krankenhaus voller leerer Inkubatoren entwickelt.  

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Über den Autor

Mit 15 Jahren Erfahrung aus Design, Produktmanagement, Software-Entwicklung, Prozessoptimierung und Strategieberatung liegt mein Herzblut in Innovationsprojekten und Workshop Moderation. Meine Liebe zum Pragmatismus und mein Hekel an nicht wertschöpfenden Dingen zieht sich durch all unsere Leistungen und Projekte. Ich freue mich darauf dich kennenzulernen – vielleicht kann ich auch euch zu mehr Agiltiät und schnelleren Ergebnissen verhelfen.